Was ich als Führungskraft gelernt habe

Was ich als Führungskraft gelernt habe

Als ich vor ziemlich genau neun Jahren die Leitung einer IT-Abteilung übernahm, hatte ich ziemlich genau null Erfahrungen mit Personalführung. Den meisten meiner Mitarbeiter*innen war ich noch als »Kollege« bekannt, einigen sogar als Auszubildender. Und der oft thematisierte Rollenwechsel vom Kollegen zum Chef heißt eben auch, dass man neben den Menschen auch den Laden gut kennt. Und leider meistens auch weiß, was bisher nicht optimal lief. Jetzt starte ich beruflich in eine neue Herausforderung und blicke auf eine lehrreiche und erfolgreiche Zeit zurück. Ich hatte die Ehre, mit den talentiertesten und inspirierendsten Menschen zusammen zu arbeiten, die ich im Bereich IT kennengelernt habe. Und einige davon konnte ich im Laufe der Zeit sogar für mein Team gewinnen.

Natürlich hab ich mir am Anfang jede Menge Zeug durchgelesen, Seminare mitgemacht und viel an mir gearbeitet, um ein guter Chef zu sein. Aber nur ein kleiner Teil davon hat wirklich zu meiner Situation gepasst. Und ein noch kleinerer Teil schien zu funktionieren. Sicherlich sind jetzt auch meine Erfahrungen, wie ich sie hier veröffentliche, nicht auf andere übertragbar. Aber bei mir sind ein paar Erkenntnisse hängen geblieben, die für mich zu einem Muster, zu einer Art innerer Struktur von Führung geworden sind.

Was zu tun ist

Ein Mensch hat normalerweise zwei Ohren und einen Mund. Mich immer wieder darauf zu besinnen war gerade in der ersten Zeit sehr wertvoll. Weniger Reden, mehr Hören. Zuhören, anschauen, zugucken. Fragen, nachfragen, verstehen.
Als mein Team mich letzte Woche mit einer irren Überraschungsparty verabschiedet hat, zeigte sich das Wetter von seiner typisch norddeutschen Seite: es goss wie aus Kübeln und der Wind zerrte ordentlich am Zelt. Als ich umständlich versuchte, einen lockeren Hering wieder im Boden zu verankern, scherzte jemand, dass man mich an meinem letzten Tag das erste Mal arbeiten sehen könnte.
Was also habe ich neun Jahre lang gemacht? Was macht eine Chefin, ein Chef? Die Aufgaben einer wertschätzenenden Führungskraft aus meiner Sicht:

  • Wirksamkeit und Relevanz für jede Mitarbeiter*in schaffen
  • Wissen, warum und wofür man hier ist
  • die Lust wecken, etwas beitragen zu wollen
  • eine Kultur des Lernens pflegen
  • Respekt haben, ehrlich und ohne »Augenrollen«

Was habe ich nun gelernt, welche Grundsätze würde ich weitergeben? Es sind diese vier Aspekte, die ich irgendwann wie ein Mantra vor mich hingemurmelt habe:

  1. Deine Mitarbeiter*innen sind besser als du. Wenn du sie lässt.
  2. Jedes Team braucht eine gemeinsame Mission.
  3. Entscheide selbst. Denn wer viel fragt, bekommt Zäune.
  4. Erfolgreiche Führung braucht eine erfolgreiche Partnerschaft.

1. Deine Mitarbeiter sind besser als du. Wenn du sie lässt.

Damit gelingt erst mal der Rollenwechsel vom Kollegen zum Vorgesetzten leichter. Es ist außerdem meine Haltung, wenn ich neues Personal gesucht habe: Ich will Leute, die Dinge besser können, als ich. Dafür ist es wichtig, den Alltag so zu gestalten, dass Qualifikation und Personalentwicklung nicht im Tagesgeschäft untergehen. Lass deine Leute lernen. Gib ihnen Raum dafür. Außerdem ist es mit diesem inneren Standpunkt auch nicht so schmerzhaft, wenn jemand das Team verlässt. Menschen sind glücklicher, wenn man sie groß macht. Als Führungskraft lässt du Räume, in die Mitarbeiter hineinwachsen.

2. Jedes Team braucht eine gemeinsame Mission.

Eine Mission kann man nirgendwo abschreiben[1]. Aber im intensiven Austausch über die Frage »Warum und für was sind wir da?« entsteht irgendwann ein Bild. Es setzt einen Prozess des Nachdenkens ein. Wieso verbringe ich den Großteil meiner Lebenszeit auf der Arbeit? Was erreiche ich damit?
Die schönste Mission ist meiner Meinung nach, wenn man etwas für andere verbessern, etwas für andere tun kann. Wenn die eigene Arbeit darauf einzahlt, dass jemand anderes seine Arbeit leichter erledigen kann.

»Intelligenz ist die Fähigkeit, Dinge zu verändern und sie für die Menschheit nutzbar zu machen«[2]

Howard Gardner

3. Entscheide selbst. Denn wer viel fragt, bekommt Zäune.

Mein Opa sagte manchmal, es sei besser falsche Entscheidungen zu treffen, als gar keine. Gerade in größeren Firmen oder Behörden gibt es aber eine Grundeinstellung, des »nach oben hoch fragen«. Den Dienstweg einhalten, einem Gremium zur Diskussion stellen. »Verantwortungsdiffusion« nennt sich diese Krankheit. Was hilft dagegen: selber informieren, selber denken, selber entscheiden. Klar: im eigenen Rahmen. Aber, mal ehrlich: Welches Gremium und welche nächsthöhere Vorgesetzte freut sich nicht, wenn schon Optionen vorbereitet sind? Wenn schon gut begründete Empfehlungen da sind? Entscheiden lassen bedeutet in diesem Fall: die Entscheidung planen. Tut man das nicht, wird man eingezäunt.

4. Erfolgreiche Führung braucht eine erfolgreiche Partnerschaft.

Oben wird die Luft dünner, haben sie gesagt. Führungskräfte gehen häufig alleine in die Pause, es gibt wenig Smalltalk für informelle Rückmeldungen. Das Drama dabei: Jeder hat seinen blinden Fleck, seine Macken, auch Vorgesetzte. Und deshalb: ohne Korrektiv, ohne Reflexions-Partner geht es nicht. Das muss zu Führungsthemen nicht immer der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin sein. Aber ein Freund, einen Verbündeten, eine Perspektivwechslerin, eine andere Führungskraft.
Auch 360°-Feedbacks geben meiner Meinung nach nur begrenzt Einblick. Ich habe es immer sehr genossen, ein starkes Korrektiv zu haben. Jemandem eine Situation zu beschreiben, meine Verhalten zu erklären und dann zu hören: »War keine gute Idee.« Einfach auch mal von der anderen Seite betrachten lassen.

Indikatoren für gute Führung

Für mich waren die neun Jahre Führung ein ständiger Lernprozess. Jeder Status Quo trug ein Verfallsdatum. Das war anstrengend, aber auch abwechslungsreich. Und nicht zuletzt war es eine wunderbare Zeit.

Leadership is not a journey to help ourselves rise through the ranks. Leadership is a journey to help those around us rise.

— Simon Sinek

Zu sehen, wie Menschen sich entwickeln, lernen, Dinge verändern und damit auch die Kultur in einem Unternehmen beeinflussen, ja wirklich verbessern: Das war mein Indikator für erfolgreiche Führung. Menschen, die nicht mehr nur ihren Job machen, oder nur mit ihrem Team interagieren. Sondern die darüber hinaus ragen und ihre Wirksamkeit verstanden haben.


Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich in den letzten Jahren begleitet haben. Besonders bei meinem Team. Ihr rockt!

team-tattoos


  1. aber man kann sich inspirieren lassen, z. B. von Andrew Bosworth ↩︎

  2. Am Rande ist dies aus meiner Sicht auch eine der griffigsten Definitionen, wenn es darum geht, menschliche Eigenschaften mit künstlicher Intelligenz zu vergleichen. ↩︎