Souriau: Modi der Existenz

Planen, Prognostizieren, Berechnen – das steht auf den ersten Blick dem Tun eines Künstlers diametral gegenüber. Der französische Philosoph Étienne Souriau schichtet diesen Widerspruch teilweise ab:
Um zu wissen, was ein Sein ist, kann man allgemein sagen, dass man es errichten, sogar konstruieren muss, sei es auf direktem Wege (glücklich in dieser Hinsicht, wer Dinge macht!), sei es auf indirektem und durch Repräsentation; dass man es also bis zu dem Augenblick errichten muss, wo es sich, auf den höchsten Punkt seiner wirklichen Anwesenheit emporgehoben und zur Gänze für das bestimmt, was es dann wird, in seiner vollständigen Erfüllung, in seiner eigentlichen Wahrheit manifestiert.
— Étienne Souriau, 1938
Dieser eher vergessene Text wurde dank meson press erstmals in Deutsche übersetzt, abgestaubt und neu aufgelegt. Ausführliche und gut lesbare Erläuterungen führen an Souriaus Gedanken heran:
An die Stelle des geraden Weges, den die Unternehmung vorlegt, tritt das schwindelerregende Zaudern, das gänzlich von dem gekennzeichnet ist, was Souriau die grundlegende „Irrbarkeit“ der Überfahrt nennt. Man möchte sagen, dass diese Irrbarkeit nur für den Künstler gilt, der ja immer ein wenig durchgeknallt ist; wenn Sie aber einen Ingenieur, einen Gelehrten, einen Unternehmer, einen Architekten fragen, dann wüssten diese bestimmt zu planen, vorherzusehen, zu schaffen und zu konstruieren, indem sie nach und nach die unvorhergesehenen Widerstände des Materials unter Kontrolle bringen. Souriau denkt das nicht. Er spricht deshalb vom Werk und vom Künstler, weil er das topischste, vielsagendste Beispiel benötigt: dasjenige, das überall anderswo Metaphern, Kontraste oder Gegensätzlichkeiten liefert.
Diese neue Veröffentlichung legt meson press dank gelebtem Open Access unter CC-BY-SA-Lizenz vor. Neben den Modi der Existenz können weitere Bücher als PDF heruntergeladen werden, EPUB soll in Kürze folgen.