2 × CCC-Folklore in ARD-Mediathek
Eine sehenswerte Dokumentation und ein ebenso sehenswerter Spielfilm, die sich beide thematisch den Anfangsjahren der Hackerszene widmen, laufen aktuell in der ARD-Mediathek. Sie beleuchten die Entstehung des Chaos Computer Clubs (CCC) in Hamburg und katapultieren die Älteren unter uns schonungslos zurück zu Akustikkopplern und monochromen Röhrenmonitoren.
Alles ist Eins. Außer der 0.
Albert Einstein übernimmt das Intro, preist in seiner berühmten Rede zur Funkausstellung 1930 den Urquell alles technischen Fortschritts: göttliche Neugier und Spieltrieb. Dann folgt die Datenwelt dem Rundfunk und Wau Holland sagt:
The word consists of matter, energy and information. Matter and energy are limited, information is unlimited. And because of this, it must be free.
Anfang der 80er entwickelte sich eine Subkultur von Computer-Freaks, die man schnell als Hackerszene bezeichnete. Es geht um und gegen die Post, BTX und Autoritäten. Treibende Axiome der Bewegung sind — neben der Freude am Gerät — die Freiheit der Daten als Grundfesten einer freien Welt, optimistische Techno-Utopien sowie eine klare, positiv wirkende Ethik. Eine Geisteshaltung, die bis heute trägt und fasziniert. Die »Hacker« um Wau Holland und Steffen Wernéry finden Daten, Sicherheitslücken, offenbare Fahrlässigkeiten und geraten daher mit dem Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden aneinander. Und die Spannungen werden größer, als staatliche Akteure das Potenzial erkennen, gezielt Hacker anwerben. Spätestens nach dem KGB-Hack, der »Vertreibung aus dem Hacker-Paradies«, keimen Mißtrauen und Zerwürfnisse prächtig.
Die Dokumentation, welche 2021 zum 20. Todestag von Wau Holland veröffentlicht wurde, macht reichlich Verwendung von Video-Montagen und gewinnt insbesondere durch die eingesprochenen Beschreibungen von Peter Glaser Authentizität. Einige Versatzstücke irritieren den geneigten Zuschauer, so taucht der bekannte Boris-Becker-Spot (»Bin ich schon drin?«) sowie Modem-Geräusche einige Jahre zu früh auf. Aber bei all der Folklore ist das verzeihlich.
23 – Nichts ist wie es scheint
Der KGB-Hack ist das Verbindungsstück zum Film »23 – Nichts ist wie es scheint«, der die Geschehnisse rund um Karl Koch als Spielfilm wiedergibt. Auch hier dreht sich alles um die Anfänge der Hacker-Kultur, plötzliches Nischenwissen um Daten und Netze aber auch dem Einfluss von Verschwörungstheorien und bewusstseinserweiternden Substanzen. Zahlenmystik und Illuminaten spielen eine große Rolle, aber auch Fans der alten Aegi-Hochstraße in Hannover können diese noch einmal bewundern. »23« ist sehr konsistent und erscheint geschichtstreu erzählt. Einzig die zu moderne Form der Bierflaschen in einigen Szenen sowie G-Kat-Plaketten in Windschutzscheiben geparkter Autos im Hintergrund verraten, dass der Film Ende der 90er gedreht wurde.
Wessen Recht gilt im Netz?
Mag der Blick zurück in die 80er auch unterhaltsam sein – die angerissenen Themen sind unverändert relevant. Die aktuellen Debatten zur Chatkontrolle offenbaren seit Jahren festbetonierte politische Positionen.
Und zu staatlichem Überwachungs- und Kontrollhang gesellten sich Unternehmen, deren Geschäftsmodelle vom Handel mit persönlichen Daten profitieren. Diejenigen, die sich einst mit Stolz an die Brust schlugen, weil Sie annahmen, einen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei, müssen sich die Frage gefallen lassen, ob es nicht doch nur das Recht des Stärkeren ist, dass durchgesetzt wird. Denn trotz aller mit ihnen verbundenen Hinderlichkeiten: Daten- und Verbraucherschutzrechte wirken schlichtweg nicht ausreichend.
Mediathek-Links
- »Alles ist Eins. Außer der 0« (bis zum 12.01.2023)
- »23 - Nichts ist so wie es scheint« (bis zum 28.12.2022)